Dieser Artikel erschien zuerst für Haufe New Management, am 18. November 2022
Alle reden über New Work, viele Unternehmen behaupten, sie würden es schon leben. Wer New Work nicht propagiert oder, noch besser, es schon lange macht, hat irgendwie den Bus verpasst. Aber ist das wirklich New Work, was da passiert, oder täuschen wir die schöne neue Arbeitswelt nur vor, fragt Karin Lausch.
Die Frage nach dem Warum
Viele Unternehmen werben mit New Work-Initiativen und schreien dem Markt entgegen, wie schön das Arbeiten bei ihnen sei. Schaut man genauer hin, wird schnell deutlich: Was da umgesetzt wird, hat mit New Work nicht viel zu tun, dafür ganz viel mit New Hiring oder New Employer Branding. Hier liegt der Hase im Pfeffer. Wer aus den falschen Motiven heraus New Work "macht" – da fängt das Übel schon an – wird am Ende nicht New Work erhalten. Das ist, als veranstalteten wir eine große Geburtstagsfeier nur, um reich beschenkt zu werden. Unsere Gäste würden das relativ schnell merken. Wir hätten am Ende zwar viele Geschenke, aber deutlich weniger Freund:innen.
Wer aus den falschen Motiven heraus New Work "macht" – da fängt das Übel schon an – wird am Ende nicht New Work erhalten.
Übertragen auf Unternehmen heißt das: Sie profitieren kurzfristig von ihren vermeintlichen New Work-Initiativen. Sie gewinnen das Rennen um neue Talente, erlangen Aufmerksamkeit in Social Media und steigern vielleicht sogar ihre Kundenbasis. Diese Effekte halten aber nicht lange an. Erfahrungsgemäß ebbt der Hype ab, wenn alle merken, dass New Work eben doch nicht ganz New Work war.
Die größten Fallstricke für New Work
Der Grat ist schmal zwischen echtem New Work und einem willkürlichen Maßnahmen-Bauchladen. Hier einige Beispiele:
- Work from anywhere ist eine schöne Sache und bringt sicher viele Vorteile mit sich, hat aber erstmal mit New Work nichts zu tun. Wenn ich von überall arbeiten kann, aber kaum Gestaltungsmöglichkeiten in meiner Arbeit habe, dann kann ich lediglich von überall aus fremdbestimmt arbeiten. - Remote Work im Homeoffice: Im internationalen Vergleich arbeitet niemand so gerne von zuhause wie wir Deutschen. Auch neue Mitarbeitende kommen nur noch zum Unternehmen, wenn man sie mit Homeoffice lockt. Toll, wenn wir in Jogginghose vom Wohnzimmertisch aus arbeiten können. Wer dabei aber täglich nonstop in Meetings hängt und sich nicht bewegt, dessen gesundheitliches Befinden stürzt genauso schnell ab wie der Windows-Rechner. Wenn Führungskräfte und Unternehmen uns dann noch misstrauen und bezweifeln, dass wir wirklich arbeiten, während wir den heimischen Schreibtisch hüten, bringt uns die gewonnene Flexibilität nichts. Und das Misstrauen ist groß, glaubt man einer Studie von Randstad, derzufolge immerhin 45 Prozent der Arbeitgeber:innen glauben, dass ihre Mitarbeitenden im Home Office weniger produktiv sind.
"New Work" als Maßnahmenpaket ist ein riesiger Irrtum.
- Shared Leadership und neue Führungskonzepte: sind absolut wichtig, um New Work näher zu kommen. Wenn aber die Führungskräfte dabei lediglich zwischen alten Strukturen und neuen Anforderungen zerrissen werden, helfen ihnen schöne neue Rollen auch nicht weiter.
- Stylische und moderne Büros: Bieten viel fürs Auge und machen Spaß. Wenn die Meetings und Workshops aber laufen wie bisher, verschwenden wir unsere Zeit lediglich in schönerer Atmosphäre. - Selbstorganisation: Wenn ein Team sich selbst organisieren kann und Entscheidungen dort getroffen werden, wo die Arbeit passiert und die Kompetenz sich ballt, klingt das erstmal gut. Leider sind selbstorganisierte Teams allerdings meist sich selbst überlassen, weil der Rahmen und die Strukturen im Unternehmen nicht entsprechend angepasst wurden. - (Mental-)Health-Initiativen: Unsere Gesundheit ist eines der wichtigsten Themen, auch von New Work, denn nur wenn wir gesund sind, können wir gute Arbeit leisten. Schön, wenn es Initiativen für (mentale) Gesundheit im Unternehmen gibt, schlecht, wenn gleichzeitig alle unter den strukturellen Gegebenheiten oder einer toxischen Unternehmenskultur leiden. Diese Beispiele machen deutlich, wie schnell sich etwas, das wir vielleicht zunächst als New Work interpretieren, lediglich als Maßnahme zur Steigerung der Arbeitgeberattraktivität entpuppt. Dann ist New Work ein großer Irrtum. Was macht das mit Unternehmen?
Und jetzt auch noch New Work
Es kann ziemlich anstrengend werden, wenn so viel umgesetzt, aber gleichzeitig so wenig gewonnen wird. Schon Agilität wurde fälschlicherweise als Maßnahmen-Toolkit missbraucht. Statt eines wirklichen Umdenkens gab es nur Whiteboards und Post-its. Wofür das alles gut ist, wissen viele bis heute nicht. Das Ergebnis ist eine breit angelegte Scheinagilität, ohne den Nutzen, den Agilität versprochen hatte. Nicht, weil Agilität nicht funktioniert, sondern weil wir das Konzept nicht richtig nutzen.
Wir neigen immer wieder dazu, Konzepte und Denkmodelle wie Agilität oder New Work nur auf der Maßnahmenebene zu verstehen und interpretieren sie schlichtweg falsch. Dann stülpen wir sie über die Organisation, und sie sollen alle vorhandenen Probleme lösen. Für die Organisation bedeutet das nur Extraarbeit und Belastung. "Nicht noch ein neues Thema!", "Jetzt müssen wir schon wieder eine neue Sau durchs Dorf treiben.", "Das hält kein Jahr!" – so lauten verständlicherweise viele Reaktionen im Unternehmen. Kein Wunder, dass 29 Prozent der Arbeitnehmer:innen sich laut einer Umfrage im Auftrag der Lufthansa von New Work Ende 2020 bereits überfordert fühlten. Wiederholt sich die Geschichte und verbrennt der Begriff "New Work"?
New Work: Nochmal ganz von vorn
Damit das nicht passiert, ist es wichtig, dass wir uns vor Augen halten, was New Work überhaupt ist. Laut einer Studie von Appinio und Indeed wissen im Jahr 2022 immerhin 88 Prozent der Befragten noch nicht, was man unter New Work konkret versteht. Es ist Zeit, das aufzuklären.
- New Work können wir nicht "machen", stattdessen können wir an unserem Menschenbild und an uns selbst arbeiten. Es geht darum, die eigene Haltung zum Thema (Zusammen-)Arbeit zu verändern und weiterzuentwickeln. Arbeit soll uns stärken statt uns zu schwächen. Das ist zu oft noch nicht der Fall, scheint es. Laut der Randstad Studie, würden 54 Prozent der Arbeitnehmer:innen für eine besserer Arbeitsplatzatmosphäre das Unternehmen wechseln.
- New Work ist es außerdem völlig egal, von wo aus wir arbeiten oder wie unser Büro aussieht. Es geht darum, dass wir einen Sinn in unserer Arbeit erleben und dass wir selbstbestimmt und selbstwirksam agieren können. Das wollen laut Randstad Deutschland immerhin auch 74 Prozent der Befragten.
- New Work ist keine Kampagne und auch kein Benefit. New Work kann uns helfen, die großen Krisen dieser Zeit anzugehen. Es geht darum, auf individueller und auch auf gesellschaftlicher Ebene etwas Sinnstiftendes zu tun. Das bedeutet auch, das Unternehmen ihr Geld, ihre Bekanntheit und ihre Reichweite nutzen sollten, um gesellschaftliche und soziale Verantwortung zu übernehmen. Laut Randstad Deutschland sehen das 44 Prozent der Befragten aus der Generation Z so. Tendenz steigend. Zudem legen laut einem Report von Peek und Cloppenburg 74 Prozent der Befragten aus der Generation Z besonderen Wert auf die eigene Unabhängigkeit und Selbstbestimmung im Job. Und sie wünschen sich einen sinnvollen und erfüllenden Beruf.
New Work ist keine Kampagne und auch kein Benefit. New Work kann uns helfen, die großen Krisen dieser Zeit anzugehen.
Transformation kann man nicht abhaken
New Work ist keine leichte Kost und auch nicht mal eben schnell „gemacht“. Vor allem ist New Work kein Mittel zur Steigerung der Unternehmensattraktivität. Natürlich fällt es uns deutlich leichter, eine To Do-Liste mit einigen Maßnahmen zu schreiben und diese fleißig abzuhaken, um dann auf Social Media zu berichten, wie "New Work" unser Unternehmen ist. Wer aber wirklich etwas verändern möchte, lässt die oberflächlichen Benefits und initiativen erst einmal liegen und beginnt eine ehrliche und ernst gemeinte Unternehmenstransformation.
Das Schöne daran: Die Arbeitgeberattraktivität steigert sich dann ganz von selbst.
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